Bexbach, Heimat am Höcherberg
Bexbach – Geschichte und Geschichtslandschaft
Bernhard Welter/Otto L. Ruffing
Eine Buchbesprechung von Martin Baus
Ein Gesamtwerk, das noch viele leere Seiten aufweist, ist nach wie vor die Ortsgeschichtsschreibung für das Saarland . Auch wenn auf der Landkarte des kleinsten deutschen Bundeslandes in den letzten Jahren viele Lücken geschlossen worden; so finden sich darauf aber immer noch zuhauf weiße Flecken. Daher sticht es um so mehr ins Auge, dass für den Bereich der Stadt Bexbach jetzt sogar zwei grundlegende Geschichtsbücher vorliegen. Hatte Kurt Hoppstädter im Jahre 1971 bereits mit seinem „Heimatbuch“ der damals gerade aus der Taufe gehobenen „Stadt Bexbach“ ein erstes Nachschlagewerk zur Hand gegeben, wurde nunmehr eine neuerliche Chronik mit dem Titel „Bexbach, Heimat am Höcherberg“ präsentiert. Diskutiert und erwartet worden war diese Publikation indes schon seit etlichen Jahren, und was nun endlich Realität geworden ist, kann sich durchaus sehen lassen. Gut 380 Seiten wurden zwischen die Buchdeckel gepackt, viele davon versehen mit ausgezeichnet reproduziertem Bild- und Kartenmaterial aus der örtlichen Historie.
Grundlage für das voluminöse Geschichtsbuch war die Forschungsarbeit, die Bernhard Welter (St Ingbert) und Otto L. Ruffing (Oberbexbach) im Laufe von Jahrzehnten geleistet haben. Nicht zufällig stehen die beiden Ruhestandsbeamten, die inzwischen 89 bzw. 75 Jahre als sind, als Autoren auf dem Titel. Nicht verschwiegen werden sollte aber die Kärrnerarbeit des Historikers Dr. Axel Grießmer aus Einöd, der im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) des „Vereins für Heimatkunde Höcherberg“ die Veröffentlichung redaktionell begleitet hat. Er habe, so betont Uwe Lange, Vorsitzender des Heimatvereins „aus dem umfangreichen Text- und Quellenmaterial ein interessantes Buch gestaltet“. Ein weiteres Dutzend von Autoren hat zudem Texte zu unterschiedlichsten Themenbereichen beigesteuert und so dafür gesorgt, dass der Streifzug durch die lokale Vergangenheit zu einer abwechslungsreichen Tour mit interessanten Abzweigungen und Seitenpfaden geraten ist.
Der historische Bogen des neuen „Bexbachbuches“ ist weit gespannt: Sein Spektrum reicht von den naturräumlich-typographischen Ausgangsbedingungen über erste Spuren aus grauer und der dann besser fassbaren römischen Zeit bis hin zur „Industriellen Revolution“: Noch heute drücken deren Auswirkungen nicht nur dem Bexbacher Ortsbild, sondern der gesamten Umgebung markant ihren Stempel auf. Auch wenn die Kohlegruben am Höcherberg schon lange „zu gemacht“ haben, so prägen doch Bergehalden und nicht zuletzt das Großkraftwerk am Höcherberg das Landschaftsbild, und zwar weithin über das Weichbild der Stadt Bexbach hinaus.
Konkreter und bis heute nachlesbar wird die Geschichte von „Betschbach“ – so heißt der namensgebende Stadtteil im Volksmund, so wurde er im Laufe der Jahrhunderte hochoffiziell auch immer wieder schriftlich fixiert – seit dem hohen Mittelalter. Überhaupt der Ortsname: Die heutige Schreibweise „Bexbach“, so die Autoren, „ist aus historischer Sicht unzutreffend“. „Beckesbach“ oder „Beckensbach“ wäre aufgrund der Überlieferung eigentlich richtiger. Ausschnitte alter Karten, beginnend im 16. Jahrhundert bis ins 20. Jahrhundert hinein, dokumentiert aber, dass Regeln zur Rechtschreibung eine Erfindung der Neuzeit darstellen.
Nicht zu kurz kommen auch die fünf Ortschaften, die neben dem einstigen „Mittelbexbach“ heute „Stadt Bexbach“ heißen. Nicht alle haben danach historische Beziehungen untereinander, Niederbexbach und Kleinottweiler etwa bildeten sogar bis 1974 eine Verwaltungseinheit mit Altstadt und Limbach. Dennoch wird gerade für diese beiden kleineren Stadtbezirke im neuen Buch Grundlagenarbeit geleistet, existiert von ihnen im Gegensatz zu den anderen „Höcherbergorten“ bislang noch keine Chronik, ja noch nicht einmal ein Buch mit historischen Fotos. Ebenso ist auch der Werdegang Ludwigsthals nachzulesen; die in pfälzischer Zeit entstandene „Plantage“ war schließlich bis 1974 Bexbacher Annexe, wurde erst durch die Gebietsreform abgetrennt und Neunkirchen zugeschlagen.
Erfreulich am neuen Heimatbuch ist, dass auch die düsteren Seiten jüngster Geschichte, die sich auf lokaler Ebene abgespielt haben, nicht verschwiegen werden. So ist auch jener Vorfall aus der Nazi-Barbarei festgehalten, für den Gauleiter Bürckel selbst verantwortlich zeichnete. Auf seinen Befahl hin trieben fünf Mittelbexbacher SA-Leute und zwei Hitlerjungen sieben einheimische Frauen unter Trommelwirbeln durch die Straßen. Weil sie Beziehungen zu Zwangsarbeitern unterhalten hatten, waren sie zudem zuvor noch kahl geschoren worden. Ähnlich offen wird auch über die umstrittene Namengebung des bis heute so genannten „Hindenburg-Turmes“ gesprochen. Aber auch manche Episode, die schon viel länger zurückliegt, wird in Erinnerung gerufen – der Mordfall beispielsweise, der sich anno 1476 im Bexbacher Pfarrhaus zugetragen hat. Wegen des Patronatsrechtes über die Limbacher Kirche waren sich Mathias Mauchenheimer und Claus Bieck so heftig in die Haare geraten, dass Bieck den Mauchenheimer „zu Mittelbexbach im pfarhuse erstechen wilt han“ – So ließ es der Zweibrücker Herzog Ludwig I. das Geschehen höchstpersönlich zu Protokoll geben.
Leider, und das ist der Wermutstropfen an einem ansonsten rundum spannenden Buch, sind die benutzten Quellen nur in den seltensten Fällen nachgewiesen. Zwar findet sich am Ende ein Kapitel mit ausgesuchten Dokumenten, deren Fundort angegeben ist, und auch die verschiedenen Archive, in denen sich Material zu Bexbach findet, sind genannt. So hätte es doch wohl nur noch geringer Kraftanstrengung bedurft, die Aussagen im Text zu belegen. Statt dessen wird in der Darstellung bedauerlicherweise ohne Angabe der benutzten Quellen gearbeitet. Diejenigen, die der einen oder anderen Information selbst nachgehen möchten, stehen auf verlorenem Boden. Diese Vorgehensweise mag vielleicht dazu angetan sein, die Benutzung oder besser: die Lesbarkeit zu erleichtern. Angesichts des Umstandes, dass auch der Hoppstädter-Band keine Quellen belegt, ist mit dem nun vorgelegten Buch aber eine Chance zu zweiten Mal vertan worden. Das Fehlen der Fußnoten mindert den wissenschaftlichen Wert der ansonsten gut gelungenen Publikation unnötigerweise.
Martin Baus